Gottfried Keller wurde am 19. Juli 1819 in Zürich geboren und veröffentlichte Kleider machen Leute 1874 in der zweiten Ausführung der Novellensammlung "Die Leute von Seldwyla". Im Buch geht es um ein Schneiderlein, dass von Seldwylach nach Goldach wandert und dort von den Bewohnern der Stadt fälschlicherweise für einen polnischen Grafen gehalten wird. Dies erstens einmal wegen seiner Kleidung, aber auch wegen einer handvoll Zufälle. Am Anfang ist das Schneiderlein Strapinski noch sehr schüchtern und sagt nicht viel, doch mit der Zeit baut er sich ein Netzt voller Lügen auf. Bei einem Kartenspiel mit der Goldacher Gesallschaft gewinnt Strapinski eine höhere Geldsumme und denkt nun sei es wieder Zeit um zu verschwinden. Doch dann trifft er auf die hübsche Amtstochter Nettchen und verliebt sich sofort in sie. Aber die Amtstochter ist von vielen anderen Männern ebenfalls begehrt und so bringt sich das Schneiderlein Feinde ein, wie den Buchhalter Melcher Böhni. Daraufhin hält Strapinski um Nettchens Hand an und der Vater nimmt die Verlobung an. Bei der Verlobungsfeier wird das Lügenspiel vom ehemaligen Arbeitgeber des Schneiderleins aufgedeckt, denn die Schneider aus Seldwyla veranstalten einen Maskenzug im gleichen Gasthaus. Ein Tanz wird aufgeführt, unter dem Motto "Kleider machen Leute" von den Schneidern, die den Aufstieg vom einfachen Schneider zum angesehenen Grafen nachspielen. Strapinski flüchtet und versteckt sich im Wald und schläft dabei in der Kälte ein. Das enttäuschte Nettchen beschliesst sich auf die Suche nach ihrem Verlobten zu machen und findet ihn fast am erfrieren. Sie rettet ihm das Leben, nimmt ihn mit und Strapinski erzählt ihr wie es dazu kam und wer er wirklich ist. Dabei erkennt sie, dass er sie wirklich liebt und sie entscheiden sich trotzdem zu heiraten. Aber in Goldach denken alle Nettchen wurde entführt und der eifersüchtige Buchhalter versucht sie mit allen Mitteln zurück zu gewinnen. Erst mit dem Einstreiten eines höheren Ratsherren, können die beiden schliesslich heiraten. Die ersten gemeinsamen Jahre ihres Lebens verbringen sie in Seldwyla. Erst später ziehen sie wohlhabend nach Goldach zurück. Gottfried Keller zeigt mit diesem Werk, wie sich Menschen von Äusserlichkeiten wie Kleider und Statussymbole blenden lassen.
Der Autor hat für Kleider machen Leute seine schweizerische Heimat ausgewählt. Mit den konkreten Landschaften, Goldach und Seldwyla zeigt er die schweizerischen Zustände auf. Schon die Namensgebung der zwei Städte sind sehr bedeutungsvoll. "Goldach" verweist auf den Reichtum dieser Stadt, wie es das Wort Gold schon in sich trägt. Dies bekommt man gut mit, wenn Strapinski in der Stadt einmal umhergeht und sie mit seinen Augen betrachtet (S.23-25) .In Goldach haben die Leute ebenfalls mehr Geld, als in anderen kleinbürgerlichen Durchschnitssstädten. "Seldwyla" hingegen enthählt "Wyla" und heisst "Weiler". Das bedeutet Seldwyla ist das gegenteil von Goldach. An einem unfreundlichen Novembertag kehrt das Schneiderlein den Kleinbürgern den Rücken. Wegen Zahlungsunfähigkeit seines Seldwylischen Schneidermeister hat er Arbeit und Lohn eingebüsst. Nun begibt er isch auf den Weg nach Goldach, mit dem Ziel eines noch unbekannten Reichtums.
Sein edles, romantisches Aussehen war ziemlich untypisch für seinen Schneider-Handwerksstand (S.3) Man könnte fast schon sagen unangemessen für damalige Zeit, denn er trug ein schwarzes Sonntagskleid, einen dunkelgrauen Radmantel mit schwarzem Samt ausgeschlagen und er war sorgfältig gepflegt. Somit stellt Keller ihn eher wie einen Märchenprinzen dar, als ein Schneiderlein. Zu dieser Zeit galten noch die Ständegesellschaften, in die man hineingeboren wurde. Es gab fast keine Möglichkeit für einen sozialen Aufstieg. Den Stand konnte man schon von den Kleidern ablesen. Somit fällt Strapinski aus dem Rahmen der Erwatungen und die Erkennungszeichen sind trügerisch. Wenzels unpassendes Aussehen für seinen Stand,z eigt eine Veränderung und steht somit für einen Wandel. Er ignoriert Bestehendes, folgt aber seinen eigenwilligen Vorstellungen, die komplett der Vernunft widersprechen. Der Protagonist wird zum Märtyrer seines Mantels und zwingt ihn, seine Grundbedürfnisse hintenanzustellen. Er leidet "Hunger so schwarz wie das Sametfutter" seines Mantels(S.4). Dies zeigt, dass für den Protagonisten das ästhetische Erscheinungsbild von wichtiger Bedeutung ist, noch wichtiger als seine Grundbedürfnisse.
Am Anfang des Buches ist der Protagonist eher ein Spieball der Zufälle und ist somit nur geringfügig schuldig. Er lässt den Dingen ihren Lauf aus Unbehagen, Schüchternheit und Widerspruchslosigkeit (S.5-8). Trotzdem nimmt Strapinski mit der ersten Lüge aktiv die Rolle des Grafens an und um den schönen Schein zu bewahren, spielen Zufall & Fügung eine wichtige Rolle. Durch sein Erscheinungsbild merkt man die Sehnsucht nach einem würdigen Dasein und den schönen Schein zu bewahren. Deshalb rattert er nur so in den Schwindel hinein und wird zum Hochstapler. Auf der anderen Seite lassen sich aber auch die Leute leicht betrügen und dies auf Grund reiner Äusserlichkeiten. Zum Beispiel ganz am Anfang des Buches, im Gasthaus zur Waage, wird er vom Wirt und der Köchin für einen wohlhabenden Edelmann gehalten, wegen seiner Art wie er trinkt und isst. Hingegen in der Leserperspektive weiss man,dass es um ein Schneiderlein geht, welches fast am verhungern ist. Keller spielt durch das Buch hindurch mit den Aspekten "Schein" und "Sein" und kennzeichnet so fast alle Vorgänge mit einer doppel Lesbarkeit. Auch Nettchen fasst sein Unbehagen als Schüchternheit, Demut und Ehrerbietung auf. Sie fand den vornehmen und interessanten Edelmann wahrhaft rührend und hinreißend (S. 19). Die Amtstochter wurde ebenfalls zuerst vom Schein getäuscht . Keller vergleicht Strapinski mit einem "Regenbogen", der ist nähmlich eine unwirkliche, rasch vorübergehende Naturerscheinung und entsteht nur wenn die Bedingungen dafür gegeben sind (S.26). Der äussere Schein verdeckt das innere Sein, sowie Wenzels Verwandlung zum Grafen ist nur durch ein schillerndes Erscheinungsbild möglich. Strapinksi kann auch nur zum Hochstapler werden, wenn sich die Mitmenschen gern betrügen lassen, dass heisst wenn die Bedingungen dafür gegeben sind.
Die Begegnung mit Nettchen ist nicht der Grund für das Verharren in der Rolle sondern, die Folge der Unmöglichkeit sie abzulegen. Weil die Identifikation des Schneiders, mit dem Grafen bereits vorgeschritten ist. Nettchen verzaubert und fesselt den Protagonisten von vornherein. Dabei will er sein Glück an der Seite Nettchens festhalten, obwohl er weiss, dass dies unmöglich ist (S.19). Strapinski geht einer Vorstellung nach und verliert somit den Bezug zur Realität. Dies merkt man auch als er um Nettchens Hand anhält (S.30-31). Ein weiteres Zeichen der Verschleierung der Realität ist Nettchens Schleier (S.26). In Goldach am Morgen bei einem Stadtrundgang deutet Keller das Sein in den Schein um. Die Stadt erscheint ihm als "eine Art moralisches Utopien" (S.25) und das Gasthaus zur Waage als Ort der ausgleichenden Gerechtigkeit für ungleiche Schicksale. Der Protagonist hat das Gefühl, dass in dieser Stadt das Glück auf seiner Seite ist und ihm jetzt gutes wiederfahrt, als Busse für seine letzten Jahre. Denn er hatte nicht eine einfache Kindheit und Jugend, wie man aus der Aussprache mit Nettchen schliessen kann. Deshalb denkt er, dass eine Weltordnung existiert.
Eine wichtige Symbolik in der Geschichte hat der Schlittenzug. Der Schlitten mit der Fortuna symbolisiert den Schein und der Schlitten mit dem Ziegenbock symbolisiert das Sein. Der Ziegenbock jagt der Fortuna hinterher, sowie das Sein dem Schein, oder die Wahrheit der Lüge. Dies ist eine Wahrnung, dass dieses Spiel nicht mehr länger gut geht und dass Strapinski das Sein, oder die Wahrheit bald einholt. Eine weitere Wahrnung vor dem Demaskierungsspiel sind die Redensarten, Sprichwörter und Tierfabeln die den Triumph des Scheins über dem Sein unterstreichen. Der Wolf im Schafspelz, der Esel in der Löwenhaut und die Krähe mit der Pfauenfeder sind Fabelgestalten. Diese Figuren können Schlussendlich nicht ihr wahres Sein verleugnen, können aber mit ihrer Verkleidung zum Erfolg gelangen (S.35). Als der Tanz von den Schneidern auf der Verlobungsfeier aufgeführt wurde, unter dem Motto "Kleider machen Leute" wird klar der Moment ist da, die Lüge wird entlarvt. Der Hochstapler und die Lüge sind umkreist und es gibt kein Entrinnen mehr.
Auf Seite 30 heisst es Strapinski "verlor seinen Verstand und gewann das Glück", damit wird schon auf den Schluss hingedeutet, denn der Protagonist musste lernen, dass nur die inneren Werte zählen und dass man sein Glück nicht durch Aussehen und Status finden kann. Deshalb musste der Höhepunkt kommen, als er seinen Verstand komplett verlor und die Lüge viel zu gross wurde. Doch schlussendlich findet er sein Glück in der wahren Liebe mit Nettchen. Nach der Entlarvung und der Aussprache mit Wenzel verblassen alle Äusserlichkeiten und Nettchen merkt, dass innere Werte von grösserer Bedeutung sind (S.52), Doch Schlussendlich gewinnt Wenzel durch Spekulationen viel Geld und steigt so in die höhere Gesellschaftsklasse auf. Als angesehener Mann zieht er mit seiner Familie wieder nach Goldach zurück und lässt in Seldwyla kein Stüber zurück, sei es aus Undank oder Rache (S.58). Alleine hätte Wenzel das nie schaffen können, das bedeutet Nettchen musste ihm mit dem Starkapital und Beziehungen geholfen haben. Der Schluss der Geschichte deutet an dass, die beiden sich doch nicht geändert haben. Sie haben nichts aus der Geschichte gelernt, für sie sind immer noch Äusserlichkeiten und Statussymbole von höchster Bedeutung. Das Geld spielt ebenfalls eine grosse Rolle, denn wer Geld hat, hat auch viel Ansehen.
Die Dargestellte Betrugsgeschichte konnte nur auf aufgrund der Leichtgläubigkeit der Goldacher funktionieren. Sie liessen sich vom ersten Eindruck täuschen. Nur durch Wenzels Aussehen, gewisse Zufälle und geschicktes, angepasstes Verhalten kam der Protagonist durch mit seiner Lügengeschichte. Hier zeigt Keller die bestimmten Kriterien wunderbar auf, von denen sich die Leute gerne blenden lassen und nicht hinter die Fassade blicken. Für einen kurzen Moment verblassen die Äusserlichkeiten und das Statussymbol und somit fällt die Maske ab. Die inneren Werte von Strapinski werden preis gegeben und man entdeckt zum ersten mal die Person, die hinter dem Hochstapler steckt. Doch wie meine These besagt, Keller will andeuten, dass Leute sich gerne blenden lassen durch Äusserlichkeiten wie Kleider und Statussymbole. Deshalb ändern sich Nettchen und Wenzel schlussendlich nicht und verfallen wieder dem Schein der äusseren Werte. Auch heutzutage geben viele Leute vor etwas zu sein, was sie eigentlich nicht sind. Somit sind Schein und Sein ein Thema auf das wir immer wieder stossen.